Grundkurs Wirtschaft

für Wirtschaftsinformatiker

1.4 Gruppenspezifische Entscheidungsprozesse

Autoren: Peter Paic & Julian Schopp

Konzentrierten sich die ersten vier Annahmen zu den individuellen Entscheidungsprozessen auf die Perspektive des Einzelnen, steht bei den folgenden drei Annahmen das Zusammenwirken der Menschen untereinander in gruppenspezifischen Entscheidungsprozessen im Fokus.
Wir beginnen mit der fünften Annahme von Mankiw und Taylor (2012) zum Handel.

Annahme Nr. 5: Durch Handel kann es jedem besser gehen.

Grundsätzlich stehen alle nationalen Volkswirtschaften auf dem Weltmarkt in gegenseitiger Konkurrenz. Die Konkurrenz der Volkswirtschaften ist aber nicht mit einem sportlichen Wettkampf zu vergleichen.
Vielmehr führt der Handel der konkurrierenden Volkswirtschaften dazu, dass es beiden Seiten besser gehen kann. Der Handel erlaubt es, sich auf Tätigkeiten zu spezialisieren, welche die Handelspartner am besten beherrschen.

Die Vorteile des Handelns lassen sich gut am Beispiel einer Familie darstellen: 

Sucht beispielsweise ein Familienmitglied eine neue Stelle, so konkurriert es mit den Mitgliedern anderer Familien, die ebenfalls eine neue Stelle suchen. Die Familien stehen in einer Volkswirtschaft untereinander in einem Wettstreit. Keinen Vorteil hat die Familie, wenn sie sich vom Wettbewerb mit den anderen Familien abgekapselt. Dann müsste die Familie ihre eigene Nahrung anbauen, ihre Kleidung herstellen und selbst ein Haus bauen. 

Das Beispiel macht deutlich, dass die Familie offensichtlich vom Austausch, also dem Handel, mit anderen Familien profitiert.
Den gleichen Vorteil vom Handeln haben die Volkswirtschaften. Sie spezialisieren sich und haben dadurch eine größere Bandbreite an Waren und Dienstleistungen. So sind andere Volkswirtschaften ebenso Konkurrenten wie auch Partner im Handel. 

Der Handel zwischen zwei Ländern führt meist dazu, dass es jedem Land besser geht (Pareto-Superiorität durch Tausch). Volkswirtschaftliche Optimierungen sind superior, wenn im Ergebnis Menschen besser gestellt werden, ohne dabei einen anderen schlechter zu stellen.
Die sog. Pareto-Superiorität geht auf den Ökonom Vilfredo Pareto (1848–1923) zurück. Angestrebt wird dabei ein Pareto-Optimum, dies stellt die Menge aller Zustände dar, in denen es nicht mehr möglich ist, eine Eigenschaft zu verbessern, ohne zugleich eine andere verschlechtern zu müssen.

Das Pareto-Kriterium dient der Beurteilung, ob sich ein Zustand durch die Verbesserung eines Parameters verbessert (Pareto-Superiorität), ohne die anderen Parameter verschlechtern zu müssen (Gablers Wirtschaftslexikon 2015). 

Auf David Ricardo (1772-1823) geht das Ricardo-Theorem der komparativen Kosten zurück. Das Ricardo-Modell des komparativen Kostenvorteils erklärt das Zustandekommen des Außenhandels zwischen zwei Ländern (hier im Beispiel unter der vereinfachenden Annahme, dass Arbeit der einzige Produktionsfaktor ist). Demnach fußt der Außenhandel auf einer unterschiedlichen Arbeitsproduktivität der Volkswirtschaften.

Daraus resultieren unterschiedliche Opportunitätskosten in der Produktion und im einfachsten Fall werden komparative Preisvorteile auf komparative Kostenvorteile zurückgeführt.
Handel erlaubt es, sich auf Tätigkeiten zu spezialisieren, die die jeweiligen Handelspartner am besten können (Schumpeter 1954, S 741 f.). 

Der komparative Kostenvorteil im Handel zweier Volkswirtschaften ist nicht immer auf Anhieb zu durchschauen. So kann der Handel zwischen zwei Ländern sogar dann vorteilhaft sein, wenn das eine Land alle Handelsprodukte günstiger herstellt als das andere.


Annahme Nr. 6: Märkte sind eine effiziente Methode zur Organisation des Wirtschaftslebens. 

Mit dem Scheitern des Kommunismus in den 1990er-Jahren war auch die Frage nach der idealen Organisationsform für die Wirtschaft – Marktwirtschaft oder Planwirtschaft – entschieden.
Die Vor- und Nachteile der beiden Organisationsformen betrachten wir nachfolgend näher.

War im Kommunismus eine zentrale staatliche Planung für die soziale Wohlfahrt notwendig, so delegiert die Marktwirtschaft alle Entscheidung an die Unternehmen und Haushalte. Dies betrifft zum einen die Gütermärkte und zum anderen die klassischen Produktionsfaktoren wie Boden, Kapital und Arbeit sowie neuzeitlich die Bildung.

Definition „Marktwirtschaft“: 

„Eine Volkswirtschaft die ihre Ressourcen durch die dezentralisierten Entscheidungen zahlreicher Unternehmungen und Haushalte zuteilt, die zu diesem Zweck auf Märkten für Güter und Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) zusammenwirken.“
Quelle: Mankiw und Taylor 2012, S. 11.
 

Schon 1776 stellt Adam Smith in seinem Werk "The Wealth of Nations" fest: „Haushalte und Unternehmungen wirken auf Märkten zusammen, als ob sie von einer unsichtbaren Hand zu guten Marktergebnissen geführt werden.
Die Preise sind das Instrument, mit der die unsichtbare Hand die wirtschaftlichen Aktivitäten dirigiert. Dabei spiegeln die Preise einerseits den gesellschaftlichen Wert eines Gutes wider und andererseits die sozialen Kosten der Produktion (Smith 1974, S. 371).“ 

So berücksichtigt die Marktwirtschaft mit ihrer „unsichtbaren Hand“ unbewusst den sozialen Nutzen und die Kosten der Aktivität.
Im Idealfall führen die Preise die individuellen Entscheidungsträger zu Ergebnissen, die in vielen Fällen auch die soziale Wohlfahrt maximieren.

Annahme Nr. 7: Regierungen können die Marktergebnisse verbessern. 

In einer Marktwirtschaft regelt der Staat die Rahmenbedingungen unter denen die Menschen und Organisationen Handel betreiben können. Zu den staatlichen Mindestaufgaben für einen funktionierenden Markt gehört u. a. die gesetzliche Verankerung und Durchsetzung der Eigentumsrechte. 

Innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen kann die „unsichtbare Hand“ nach Adam Smith ihre Wirkung entfalten. Funktionieren die Mechanismen der unsichtbaren Hand allerdings nicht, was durchaus vorkommen kann, spricht man von Marktversagen.
Dieses liegt vor, wenn es dem Markt nicht gelingt, die Ressourcen effizient zuzuteilen.

Definition „Eigentum“: 

Eigentum (Lehnübersetzung aus dem lat. proprietas zu proprius „eigen”) bezeichnet:

„das Recht eines Individuums, Eigentum an knappen Ressourcen zu besitzen und darüber zu verfügen“
Quelle: Mankiw und Taylor 2012, S. 13 

Als zentrale Ursachen von Marktversagen gelten Informationsasymmetrien und Externalitäten.

Ein Beispiel für Externalitäten sind Auswirkungen von Produktions- und Konsumentscheidungen, die der Markt nicht direkt abbildet. Externalitäten sind nicht im Preis abgebildet.
Wird der Marktpreis von einem Einzelnen oder einer Gruppe maßgeblich beeinflusst, so wird der Wettbewerb ausgesetzt und die Kontrollmechanismen der „unsichtbaren Hand“ können nicht mehr funktionieren.

Informationsasymmetrien bezeichnen einen Zustand, bei dem zwei Parteien bei Abschluss und/ oder Erfüllung eines Vertrags über unterschiedliche Informationen verfügen.

Definition „Marktversagen“: 

„Eine Situation, in der es einem sich selbst überlassenen Markt nicht gelingt, die Ressourcen effizient zuzuteilen“.
Quelle: Mankiw und Taylor 2012, S. 13. 

Nach der Theorie des natürlichen Monopols gibt es Märkte, in denen sich ein Monopolist etablieren kann. Trifft dieser Fall zu, ist der Monopolist in der Lage, den Marktpreis zu bestimmen.

Ein den Gewinn maximierender Monopolist bietet seine Produkte zu Preisen an, die über den Grenzkosten liegen und damit eine pareto-optimale Verteilung verhindern (vgl. Annahme Nr. 5). 

Nicht gelöst wird durch das Wirken der „unsichtbaren Hand“ die ungerechte Verteilung des Wohlstandes. Es gibt in der Marktwirtschaft keine Garantie dafür, dass alle am Markt Beteiligten genug zum Leben bekommen.
Die meisten Staaten steuern gegen die ungleiche Verteilung des Wohlstands mit staatlichen Eingriffen. Dies geschieht in der Regel über Steuern oder Sozialhilfesysteme die helfen sollen, den Wohlstand gerechter zu verteilen. 

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