Grundkurs Wirtschaft

für Wirtschaftsinformatiker

1.3 Individuelle Entscheidungsprozesse

Autoren: Peter Paic & Julian Schopp

Die Erfordernisse ökonomischer Entscheidungen ergeben sich aus der Knappheit der Güter in einer Volkswirtschaft. Im Fokus stehen folgende Fragestellungen:

  • Was wird produziert? 
  • Wie wird produziert? 
  • Welche Ressourcen werden eingesetzt? 
  • Für wen wird produziert (Verteilung)?

Hieraus leitet sich die klassische Definition der Volkswirtschaftslehre ab: „Wie bewirtschaftet eine Gesellschaft knappe Mittel?“. Dieser zentralen Fragestellung wollen wir uns mit der Betrachtung von zehn Annahmen zur Volkswirtschaft nähern.

Die Annahmen und die Vorgehensweise basieren auf den Ausführungen von Mankiw und Taylor (2012) zur Volkswirtschaftslehre und werden um aktuelle Entwicklungen wie die Finanz- und Wirtschaftskrise erweitert.

Den zehn Annahmen liegt keine wissenschaftliche Analyse zugrunde. Vielmehr helfen sie, einen Überblick zur Funktion und Wirkung einer Volkswirtschaft zu erhalten und weitergehende volkswirtschaftliche Fragestellungen zu illustrieren (Mankiw und Taylor 2012, S. 3 ff.).
Dazu gehen wir in den kommenden drei Kapiteln auf die Rolle des Individuums, gruppenspezifische Entscheidungen und die Funktion einer Volkswirtschaft ein.

Weil das Verhalten einer Volkswirtschaft insbesondere durch das der Individuen geprägt wird, betrachten wir zuerst vier individuelle Regeln für Einzelentscheidungen.

Annahme Nr. 1: Menschen stehen vor Alternativen.

Um eine Entscheidung zu treffen, ist es erforderlich, Alternativen abzuwägen oder den Zielkonflikt aufzulösen. Mit den Worten: „Es gibt nichts umsonst“, fassen Mankiw und Taylor (2012) die Problematik zusammen.

Um etwas zu bekommen, muss für gewöhnlich etwas hergegeben werden. Nehmen wir eine Studentin als Beispiel. Ihre wertvollste Ressource ist die Zeit. Sie kann all ihre Zeit für das Studium im Fach Wirtschaft oder im Fach Informatik aufwenden oder sie kann ihre Zeit auf beide Fächer gleich verteilen.
Mit jeder Stunde, die sie ein Fach studiert, verliert sie eine Stunde, in der sie ein anderes Fach hätte studieren können. Und mit jeder Stunde des Studierens, verzichtet sie auf eine Stunde Ruhen, Radfahren oder Tennisspielen.

Ebenso steht die Gesellschaft vor der Entscheidung verschiedener Alternativen oder vor Zielkonflikten. Die klassische Alternative lautet hier: „Kanonen oder Butter“. D. h., je mehr Ressourcen wir für die Verteidigung aufwenden (Kanonen), umso weniger verbleibt für den Konsum der privaten Haushalte und der Steigerung des Lebensstandards (Butter) (Mankiw und Taylor 2012, S.4).

Definition „Effizienz“:

Im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften definieren Mankiw und Taylor (2012) den Begriff wie folgt: „Effizienz ist die Eigenschaft einer bestimmten Ressourcenallokation, die Wohlfahrt aller Mitglieder der Gesellschaft zu maximieren“.
Quelle: Mankiw und Taylor 2012, S.185.

Der Begriff der „Effizienz“ (engl. efficiency) leitet sich von lat. efficientia (= Wirksamkeit) ab. Ein grundlegender Zielkonflikt der Gesellschaft liegt zwischen der Effizienz und der Gerechtigkeit.

Zielt die Effizienz auf eine optimale Ausbeute der knappen Ressourcen ab, so geht es bei der Gerechtigkeit um die faire Verteilung der wirtschaftlichen Wohlfahrt. Effizienz und Gerechtigkeit stehen bei staatlichen Maßnahmen oftmals in einem Zielkonflikt.
Die „Gerechtigkeit“ (griechisch: dikaiosyne, lateinisch: justitia, englisch und französisch: justice) bezeichnet einen idealen Zustand des sozialen Miteinanders.

Annahme Nr. 2: Was für den Erwerb eines Gutes aufgegeben wird, bestimmt die Kosten dieses Gutes.

Wie wir der ersten Regel entnehmen können, sind alle Menschen in einer Volks-wirtschaft bei dem Treffen von Entscheidungen einem Zielkonflikt ausgesetzt. Deshalb gilt es, vor einer Entscheidung Kosten und Nutzen von Alternativen miteinander zu vergleichen und gegeneinander abzuwägen.
Oftmals sind aber die Kosten einer Alternative nicht so offensichtlich wie auf den ersten Blick vermutet.

Bleiben wir beim Beispiel eines Studiums. Welche Argumente sprechen für und welche gegen die Aufnahme eines Studiums? Für ein Studium sprechen die intellektuelle Bereicherung sowie lebenslang vielfältigere Berufs- und Beschäftigungsmöglichkeit. Aber worin bestehen die Kosten?
Rechnen wir die üblichen finanziellen Kosten eines Studiums zusammen, so zeigt uns die Summe nicht, worauf wir dafür verzichten.

Definition „Opportunitätskosten“:

Opportunitätskosten, auch Verzichts- oder Alternativkosten genannt, sind „Was aufgegeben werden muss, um etwas anderes zu erlangen.“
Quelle: Mankiw und Taylor 2012, S. 64.

Im Studium zählt neben den monetären Aspekten insbesondere die aufgebrachte Zeit, die z. B. für eine gewerbliche Tätigkeit genutzt werden könnte. So setzen sich die Opportunitätskosten aus dem zusammen, was aufgegeben werden muss, um etwas zu erlangen.

Annahme Nr. 3: Rational entscheidende Menschen denken in Grenzbegriffen.

Rationale Menschen kennzeichnet, dass sie systematisch und zielstrebig alles geben, um ihre Ziele zu erreichen. Dabei sind sich rationale Menschen bewusst, dass es meist kein Schwarz oder Weiß gibt, sondern gewöhnlich etwas dazwischen.

Mit Rationalität (von lateinisch rationalitas ‚Denkvermögen‘, abgeleitet von Ratio ‚Vernunft‘) wird ein vernunftgeleitetes und an Zwecken ausgerichtetes Denken und Handeln bezeichnet.
Der Begriff beinhaltet die absichtliche Auswahl von und die Entscheidung für Gründe, die als vernünftig gelten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Definition „rationaler Mensch“: 

Mankiw und Taylor definieren die Begrifflichkeit „rationaler Mensch“ als „Menschen, die systematisch und zielstrebig alles geben, um ihre Ziele zu erreichen.“
Quelle: Mankiw und Taylor 2012, S. 6.

So besteht die Entscheidung meist nicht zwischen den Extremen, wie beispielsweise vor einem Prüfungstermin die Prüfung komplett abzusagen oder nicht.
Die Wahl liegt vielmehr darin, eine weitere Stunde für das Lernen aufzuwenden und in die Bücher zu schauen oder in den sozialen Netzwerken zu surfen. 

Viele Entscheidungen des Lebens zielen darauf ab, bestehende Pläne in kleinen Schritten abzuwandeln. Es geht also um marginale Veränderungen, denen eine inkrementelle Anpassung existierender Pläne oder Handlungen zugrunde liegt. Demnach fällen Menschen Entscheidungen, indem sie Kosten und Nutzen marginaler Veränderungen abwägen.

Definition „marginale Veränderungen“: 

Die marginale Veränderung umfasst die: „Abwandlungen eines bestehenden Aktionsplans durch kleine Schritte“.
Quelle: Mankiw und Taylor 2012, S. 7. 

Zentral von Bedeutung ist der Begriff der Marginalität etwa für die Bestimmung des Grenznutzens. Eine Fokussierung auf die Betrachtung kleiner Änderungen gegenüber dem Status löste die marginalistische Revolution innerhalb der Wirtschaftswissenschaften aus. 

Wie nehmen Individuen und Organisationen eine Abwägung von Kosten und Nutzen nach dem Marginalprinzip vor? Hier stehen zwei Fragestellungen im Mittelpunkt: 

  • Was kostet die nächste Einheit? Grenzkosten (GK). 
  • Was bringt die nächste Einheit? Grenzerlös (GE).

Solange der Grenzerlös größer ist als die Grenzkosten, lohnt sich die nächste Einheit (GE > GK). Für rationelle Entscheidungen sind daher die Grenzkosten (Kosten der nächsten Einheit) und nicht die insgesamt angefallenen Kosten (Durchschnitts­kosten) entscheidend. Beispiel für eine individuelle Entscheidungsfindung: 

Ob ich weiter für die BWL-Klausur lerne, hängt vom erwarteten Grenzertrag der nächsten zusätzlichen Lernstunde ab, nicht vom Ertrag der bisher schon gelernten Stunden insgesamt. 

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