Grundkurs Wirtschaft

für Wirtschaftsinformatiker

4.7.2 Kostenstellenrechnung mittels Betriebsabrechnungsbogen

Autoren: Peter Paic & Julian Schopp

Die Verrechnung der Kosten auf die Kostenstellen erfolgt in vier Stufen. In der ersten Stufe werden die im Rahmen der Kostenartenrechnung aufgegliederten primären Gemeinkosten auf die Kostenstellen verteilt (primäre Kostenverrechnung).

In der zweiten Stufe werden die Gemeinkosten der Vorkostenstellen den Endkostenstellen zugerechnet (sekundäre Kostenverrechnung). 

Die ermittelten Gemeinkosten je Hauptkostenstelle werden in der dritten Stufe den Kostenträgern mithilfe von Kalkulationssätzen zugerechnet.

Durch Gegenüberstellung der nun berechneten Ist-Kosten und der Normal- oder Plankosten wird in der vierten Stufe eine Kostenkontrolle durchgeführt (Eisele und Knobloch 2011, S. 823 f.).

Das Werkzeug mittels derer die Kostenstellenrechnung durchgeführt wird, ist der Betriebsabrechnungsbogen, kurz BAB. Der Aufbau des Betriebsabrechnungsbogens ist nachfolgend dargestellt.

Abbildung 39: Der Betriebsabrechnungsbogen (BAB)

Quelle: Eigene Abbildung.


Primäre Kostenverrechnung

Im Rahmen der primären Kostenverrechnung wird unterschieden zwischen Kosten-stellen-Einzelkosten und Kostenstellen-Gemeinkosten. Kostenstellen-Einzelkosten sind Gemeinkosten, die einer Kostenstelle direkt zugeordnet werden können.

Beispiel: Die Lohnkosten für Mitarbeiter A der Druckstraße können direkt der Kosten-stelle „Druckstraße“ zugeordnet werden.

Für Kostenstellen-Gemeinkosten ist diese direkte Zuordnung hingegen nicht möglich.

Beispiel: Die Kosten für die Gebäudereinigung, -miete oder -heizung können keiner Kostenstelle direkt zugerechnet werden, sofern die Kostenstellenstruktur nicht explizit eine Kostenstelle, zum Beispiel für Gebäudeheizung, vorsieht.

Die Verteilung der Kostenstellen-Gemeinkosten erfolgt mithilfe von Verrechnungsschlüsseln.

Verrechnung der Kostenstellen-Einzelkosten und Kostenstellen-Gemeinkosten 


Quelle: Eigene Darstellung

Dies kann im zuletzt genannten Beispiel die Quadratmeterfläche der Räume sein. Je nach Art der Kostenstellen-Gemeinkosten können unter anderem die Anzahl der Beschäftigten, geleistete Arbeitsstunden, Personalkosten oder der Umsatz potenzielle Verrechnungsschlüssel sein.

Entscheidend ist, dass ein proportionaler Zusammenhang zwischen verrechneten Kosten und dem gewählten Verrechnungsschlüssel besteht (Eisele und Knobloch 2011, S. 834).

Beispiel: Für eine Bürofläche von 450 Quadratmeter zahlt Steve Heizungskosten von 2.700 Euro. Die Bürofläche wird von drei Organisationseinheiten genutzt, für die jeweils eine eigene Kostenstelle eingerichtet wurde.

Die Raumnutzung auf die drei Kostenstellen verteilt sich wie folgt:
Kostenstelle I = 200 Quadratmeter, Kostenstelle II = 150 Quadratmeter, Kostenstelle III = 100 Quadratmeter

Mit der Raumfläche als Verrechnungsschlüssel können die Kostenstellen-Gemeinkosten in Höhe von 2.400 Euro wie folgt verrechnet werden:

•    Kosten pro qm: 2.700 Euro / 450 qm = 6 Euro/qm

•    Kostenstelle I: 200 qm x 6 Euro/qm = 1.200 Euro

•    Kostenstelle II: 150 qm x 6 Euro/qm = 900 Euro

•    Kostenstelle III: 100 qm x 6 Euro/qm = 600 Euro

Sekundäre Kostenverrechnung

Innerhalb des betrieblichen Leistungsprozesses werden nicht nur Leistungen erstellt, die für den Absatzmarkt bestimmt sind, sondern auch Vorleistungen für den innerbetrieblichen Bedarf (Birker 1996, S. 69)

Beispiel: Die Kostenstelle „Sicherheitsinfrastruktur“ erbringt in einem IT-Unternehmen Vorleistungen für die Kostenstelle „Windows-Server“, die Kostenstelle „Windows-Server“ erbringt wiederum Vorleistungen für die Kostenstelle „Webhosting“.

Im Wege der Kostenträgerrechnung sind diese innerbetrieblichen Vorleistungen (Eigenleistung, Innenaufträge) der Vorkostenstellen den Endkostenstellen zuzurechnen.

Da jedoch die verschiedenen Kostenstellen in wechselseitigen Leistungsbeziehungen zueinander stehen können, weist die innerbetriebliche Leistungsverrechnung Schwierigkeiten auf.

Beispiel: Die Kostenstelle „Stromversorgung“ gibt ihre Leistungen an alle anderen Kostenstellen ab, so auch an die Kostenstelle „Maschinenwartung“.

Die Kostenstelle „Maschinenwartung“ wiederrum erbringt Reparaturleistungen für die Kostenstelle „Stromversorgung“. Die beiden Kostenstellen weisen wechselseitige Leistungsbeziehungen auf.

Bevor jedoch die Vorkostenstelle „Maschinenwartung“ weiterverrechnet werden kann, müssen alle Kosten der von anderen Kostenstellen empfangenen Leistungen sowie der an andere Kostenstellen weitergegebenen Leistungen bekannt sein.

Das heißt, die Maschinenwartung muss wissen, welche Kosten durch die Stromversorgung auf ihrer Kostenstelle angefallen sind.

Die Stromversorgung kann jedoch die Kosten für ihre Leistungen erst beziffern, wenn wiederrum klar ist, welche Reparaturkosten durch die Maschinenwartung auf ihrer Kostenstelle angefallen sind (Eisele und Knobloch 2011, S. 838).

Je nach Grad der Leistungsverflechtung zwischen den Kostenstellen lässt sich das folgende Bild zeichnen.  

Abbildung 41: Wechselseitige Leistungsbeziehungen zwischen KostenstellenQuelle: Eigene Darstellung.

Zur Lösung dieser Problematik finden in der Kostenrechnung verschiedene Verfahren zur innerbetrieblichen Leistungsverrechnung Anwendung. Einige von denen werden im Folgenden kurz dargestellt.

Anbauverfahren

Im Rahmen des Anbauverfahrens werden die Kosten der Vorkostenstellen unmittelbar auf die Endkostenstellen verrechnet. Leistungsbeziehungen, die zwischen den Vorkostenstellen bestehen, werden nicht berücksichtigt.

Im eben dargestellten Beispiel würden bei Anwendung des Anbauverfahrens die entstandenen Reparaturkosten der Maschinenwartung bei dieser Kostenstelle verbleiben.

Genauso würde auch die Kostenstelle Stromversorgung, Kosten die für Leistungen an andere Vorkostenstellen entstanden sind, selber tragen und an die Endkostenstellen verrechnen. Das folgende Schaubild skizziert den Verrechnungsweg im Anbauverfahren.

Abbildung 42: Verrechnungsweg der sekundären Kosten im Anbauverfahren

 

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Vorkostenstellen verrechnen sich entsprechend der Leistungsabgabe an die jeweiligen Endkostenstellen. Die hierfür erforderlichen Verrechnungsschlüssel werden mit folgender Formel gebildet:

Verrechnungsschlüssel = "Primäre Kosten der Vorkostenstelle" /"Leistungsabgabe an Endkostenstelle" 

Das Anbauverfahren ist im Vergleich zu den übrigen Verfahren in der Anwendung simpel. Existieren jedoch vielseitige innerbetriebliche Leistungsbeziehungen zwischen den Vorkostenstellen, ist das Anbauverfahren zu ungenau (Eisele und Knobloch 2011, S. 793).

Stufenleiterverfahren

Während im Anbauverfahren Leistungsbeziehungen zwischen Vorkostenstellen keine Rolle spielen, werden diese im Wege des Stufenleiterverfahrens zumindest einseitig berücksichtigt.

Hierfür werden die Vorkostenstellen sukzessive in einer bestimmten Rangfolge verrechnet.

Abbildung 43: Verrechnung der sekundären Kosten im Stufenleiterverfahren Quelle: Eigene Darstellung.

Die Reihenfolge der Umlage der Vorkostenstellen erfolgt in Abhängigkeit des Umfangs ihrer internen Leistungsverflechtung zu anderen Kostenstellen.

Zuerst werden solche Vorkostenstellen verrechnet, die am wenigsten Leistungen anderer Kostenstellen erhalten und im hohen Umfang Leistungen für andere Vorkostenstellen erbringen.

Schrittweise werden die übrigen Vorkostenstellen verrechnet, die überwiegend Leistungen empfangen anstatt Leistungen abzugeben. Die Höhe der Verrechnung ist abhängig von der Leistungsabgabe an die jeweilige Kostenstelle und wird mittels des folgenden Verrechnungsschlüssels bestimmt:

Verrechnungsschlüssel
= "Primäre Kosten der Vorkostenstelle + Sekundäre Kosten der Kostenstelle" /"Leistungsabgabe an nachgelagerte Kostenstellen" 

Die sekundären Kosten der Kostenstelle ergeben sich aus der Leistungsverrechnung vorgelagerter Kostenstellen. In der dargestellten beispielhaften Abbildung würden zum Beispiel die in der 1. Stufe verrechneten Kosten der Vorkostenstelle 1 an die Vorkostenstelle 2 die sekundären Kosten der Vorkostenstelle 2 darstellen.

Mittels des Verrechnungsschlüssels wird der Wert der abgebenden Leistungsmenge an nachgelagerte Kostenstellen bestimmt.


Das Gleichungsverfahren

Im Unterschied zum Anbau- oder Stufenleiterverfahren werden beim Gleichungsverfahren die Leistungsbeziehungen zwischen allen Kostenstellen wechselseitig berücksichtigt.

Das Gleichungsverfahren, auch simultanes Verrechnungsverfahren genannt, trägt dem Problem Rechnung, dass die Verrechnungsschlüssel nicht nacheinander, sondern gleichzeitig festgelegt werden müssten, um die tatsächlichen Leistungsbeziehungen realistisch und verursachungsgerecht in der Kostenrechnung darzustellen.

Hierzu wird für jede Kostenstelle nach folgender Formel eine Gleichung aufgestellt, die die innerbetrieblichen Leistungsbeziehungen der Kostenstelle widerspiegelt:

Insgesamt abgebende Leistungsmenge x Verrechnungsschlüssel

= Primäre Kosten
+ abgebende Leistungsmenge an Kostenstelle 1 x Verrechnungsschlüssel
+ abgebende Leistungsmenge an Kostenstelle 2 x Verrechnungsschlüssel
+ abgebende Leistungsmenge an Kostenstelle n x Verrechnungsschlüssel


Beispiel: Anhand des folgend dargestellten verkürzten Betriebsabrechnungsbogen und der Leistungsbeziehungen zwischen den Kostenstellen sollen mittels des Gleichungsverfahrens die innerbetrieblichen Verrechnungsschlüssel der Kostenstellen Stromerzeugung (1) und Maschinenwartung (2) berechnet sowie mittels der Verrechnungsschlüssel die Kosten für die Endkostenstelle Druck (3) bestimmt werden.






Für die Kostenstellen 1 bis 3 werden folgende Gleichungen aufgestellt, wobei p1 und p2 die Verrechnungsschlüssel für die Kostenstelle 1 bzw. 2 und K3 die Kosten der Kostenstelle 3 sind.

(1)     100.000 p1 = 600.000 € + 400p2
(2)     1.000p2 = 500.000 € + 20.000p1
(3)     K3 = 1.000.000 € + 80.000p1 + 600p2


Gleichung (1) wird nach p1 aufgelöst.

(3)     p1 = 6 + "4" /"1.000"  p2


Gleichung (3) wird in Gleichung (2) eingesetzt.

(4)     1.000p2 = 500.000 € + 20.000 x (6 € + "4" /"1.000"  p2)
          p2 = 500 € + 20 x (6 € + "4" /"1.000"  p2)
          p2= 500 € + 120 € + "8" /"100"  p2
          "92" /"100" p2 = 620 €
          p2 = 673, 91 €

Gleichung (4) wird in Gleichung (1) eingesetzt.

(5)     100.000 p1 = 600.000 € + 400 x 673,91 €
          p1 = 8,67 €

Gerundet ergeben sich für die Kostenstellen 1 und 2 folgende Verrechnungsschlüssel:

          p1 = 8,67 €, p2 = 673,91 €

Die höhere Genauigkeit geht einher mit einem höheren Berechnungsaufwand. In Kostenstellensystemen sind bei mehr als zwei Vorkostenstellen die Verrechnungsschlüssel mittels Matrizenrechnung zu bestimmen.

In komplexeren Kostenstellensystemen mit vielen Vorkostenstellen ist das Gleichungsverfahren aufgrund der aufwändigen Berechnung manuell kaum noch anwendbar, sodass der Einsatz des Gleichungsverfahrens nur noch bei Rückgriff auf ein EDV-System wirtschaftlich ist (Zimmermann et al. 2011, S. 34).


Auswertungen des Betriebsabrechnungsbogens

Nach Verrechnung der primären Gemeinkosten sowie der Verrechnung der sekundären Gemeinkosten im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung sind alle Gemeinkosten auf Endkostenstellen verteilt (Birker 1996, S. 87).

In Vorbereitung der Kostenträgerrechnung werden nun im nächsten Schritt Gemeinkostenzuschlagsätze gebildet. Das sind Verrechnungsschlüssel, mit deren Hilfe im Rahmen der Kostenträgerrechnung die Gemeinkosten der Endkostenstellen auf die Produkte (Kostenträger) verteilt werden.

Dazu werden die Gemeinkostensätze einer Kostenstelle ins Verhältnis zu einer anderen Bezugsgröße setzen. Es werden beispielsweise Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- oder Vertriebseinzelkosten als Bezugsbasis verwendet. In diesen Fällen bestimmt sich der Gemeinkostenzuschlagssatz wie folgt:

Materialgemeinkostenzuschlagssatz     =    "Materialgemeinkosten" /"Materialeinzelkosten"

Fertigungsgemeinkostenzuschlagssatz     =     "Fertigungsgemeinkosten" /"Fertigungseinzelkosten"

Verwaltungsgemeinkostenzuschlagssatz =    "Verwaltungsgemeinkosten" /"Herstellkosten "

Vertriebsgemeinkostenzuschlagssatz     =     "Vertriebsgemeinkosten" /"Herstellkosten"

Neben der Verrechnung der Gemeinkosten auf Produkte können Gemeinkostenzuschlagssätze für die Kostenkontrolle verwendet werden, indem Abweichungen zwischen dem Normal- und dem Ist-Gemeinkostenverrechnungssatz identifiziert werden.

Normal-Gemeinkosten-Zuschlagssätze basieren auf Erfahrungswerten vorangegangener Abrechnungsperioden. Ausgehend von einem durchschnittlichen bzw. typischen Beschäftigungsgrad werden so die Normal-Kostenzuschlagssätze bestimmt.

Werden Abweichungen zwischen den Normal- und den Ist-Gemeinkostenzuschlagssätzen festgestellt, erhält die Unternehmensführung einen Hinweis, welche Bereiche hinsichtlich ihrer Kostentwicklung näher zu betrachten sind und erhält so die Möglichkeit, ggf. steuernd einzugreifen.


Beispiel: Ausgehend vom folgenden Betriebsabrechnungsbogen und den aufgeführten Normal-Gemeinkostenzuschlagssätzen sollen einerseits die Ist-Gemeinkostenzuschlags-sätze ermittelt und etwaige Abweichungen zu den Normal-Gemeinkostenzuschlagsätzen festgestellt werden.



1.    Materialgemeinkostenzuschlagssatz = 25 Prozent
2.    Fertigungsgemeinkostenzuschlagssatz = 140 Prozent
3.    Verwaltungsgemeinkostenzuschlagssatz = 15 Prozent


Die ermittelte Kostenabweichung zeigt, dass die Kosten der Materialstelle über dem Soll liegen. Hier wäre zu analysieren, welche Ursachen den Kostenanstieg bewirkt haben (z. B. schlechtere Einkaufskonditionen).

Im Fertigungsbereich konnten hingegen Kosten eingespart werden. Möglicherweise konnte der Produktionsprozess effizienter gestaltet werden. Die Kosten der Verwaltungsstelle liegen genau im Soll und weisen keine Abweichung auf.





Zusammenfassungen der Kostenstellenrechnung

Auf Grundlage der Ergebnisse der Kostenartenrechnung wurden nun im Wege der Kostenstellenrechnung die Kosten den Orten ihrer Entstehung zugerechnet.

Im Rahmen der Primärkostenverrechnung wurden Kostenstellen-Einzelkosten unmittelbar und Kostenstellen-Gemeinkosten über geeignete Verrechnungsschlüssels den Kostenstellen zugerechnet.

Die Kosten der Vorkostenstellen wurden wiederum durch verschiedene Verrechnungsverfahren (z. B. Stufenleiterverfahren oder Gleichungsverfahren) auf die Endkostenstellen umgelegt.

Für die Endkostenstellen wurden im letzten Schritt, in Vorbereitung der Kostenträgerrechnung, Gemeinkostenzuschlagssätze gebildet, anhand derer einerseits eine Zurechnung der Gemeinkosten auf Produkte (Kostenträger) erfolgen kann und anderseits Abweichungsanalysen für die Kostenstellen ermöglicht werden.

Die folgende Abbildung stellt die Zusammenhänge der bisherigen Verrechnungs-schritte im Wege der Kostenstellenrechnung dar.


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