Grundkurs Wirtschaft

für Wirtschaftsinformatiker

4.8.1 Kostenträgerstückrechnung

Autoren: Peter Paic & Julian Schopp

Die Kostenträgerstückrechnung, auch Kalkulation genannt, dient dazu, die Stückkosten einzelner Kostenträger zu berechnen. Bezugskriterium ist im Unterschied zur Kostenträgerzeitrechnung nicht die Abrechnungsperiode, sondern die Leistungseinheit.

Das „Stück“, sprich die Kosten pro Mengeneinheit, stehen im Fokus der Betrachtung. Ziel der Kostenträgerstückrechnung ist es, Produktpreise – ob für Endprodukte oder interne Leistungen – zu ermitteln.

Auf Basis der Kalkulation können Preisuntergrenzen festgelegt, make-or-buy-Entscheidungen getroffen (Sind die Kosten meiner internen Leistungen höher als der Preis, der für diese Leistung auf dem Markt verlangt wird?) oder Entscheidungshilfen für die Festlegung des Produktionsprogrammes bereitgestellt werden (Welches Produkt erzielt die höchsten Gewinnspannen?) (Griga 2010, S. 141).

Die Kalkulation kann vorgreifend auf Basis von Planwerten (Vorkalkulation), bei langer Produktionsdauer zwischendurch zurückgreifend (Zwischenkalkulation) oder vollständig zurückgreifend auf Basis von Ist-Werten erfolgen (Eisele und Knobloch 2011, S. 870).

Im Rahmen der Kalkulation wird zwischen Herstell- und Selbstkosten unterschieden. Die Herstell- bzw. Selbstkosten setzten sich wie folgt zusammen.


Schema zur Kalkulation der Herstell- und Selbstkosten

Materialkosten

+    Materialgemeinkosten        

+    Fertigungslöhne    Fertigungskosten    

+    Fertigungsgemeinkosten        

+    Sondereinzelkosten der Fertigung        

=    Herstellkosten        

+    Verwaltungsgemeinkosten        

+    Vertriebsgemeinkosten        

+    Sondereinzelkosten des Vertriebes        

=    Selbstkosten        

    Quelle: Birker 1996, S. 87.

Für die Kalkulation existiert eine Vielzahl von Verfahren, die in folgender Abbildung dargestellt sind.

Übersicht der Kalkulationsverfahren

  • Divisionskalkulation:       
    Einstufige Divisionskalkulation
    Mehrstufige Divisionskalkulation
  • Äquivalenzziffernkalkulation:   
    Einstufige Äquivalenzziffernkalkulation
    Mehrstufige Äquivalenzziffernkalkulation
  • Zuschlagskalkulation       
    Summarische Zuschlagskalkulation
    Differenzierende Zuschlagskalkulation

Im Folgenden werden die ein- und mehrstufige Divisionskalkulation sowie die summarische und differenzierende Zuschlagskalkulation näher dargestellt.



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Summarische Zuschlagskalkulation

Im Wege der summarischen Zuschlagskalkulation werden die Gemeinkosten einer Abrechnungsperiode vollständig durch eine einzige Zuschlagsbasis verrechnet.

Da die Gemeinkosten demnach nicht nach Kostenstellen differenziert werden, ist eine Kostenstellenrechnung für die Anwendung des Verfahrens nicht notwendig.

Als Zuschlagsbasis werden entweder bestimmte Arten von Einzelkosten (z. B. Fertigungslöhne oder Materialkosten) oder die Summe aller Einzelkosten eines Kostenträgers verwendet.

Beispiel: Die folgenden Kosten verzeichnet ein Unternehmen zum Ende einer Abrechnungsperiode: 

Das Unternehmen hat ein Produkt hergestellt, das sechs Euro Fertigungseinzelkosten und vier Euro Materialeinzelkosten pro Stück verursacht hat.

Anhand der Werte werden einerseits die Gemeinkostenzuschlagssätze ermittelt und anderseits die Herstellkosten berechnet.

  • Gemeinkostenzuschlagssatz (Zuschlagsbasis: Gesamte Einzelkosten)
    = "200.000 €" /"100.000 €"  = 200 %
  • Gemeinkostenzuschlagssatz (Zuschlagsbasis: Fertigungseinzelkosten) 
    = "200.000 €" /"80.000 €"  = 250 %

  • Gemeinkostenzuschlagssatz (Zuschlagsbasis: Fertigungseinzelkosten) 
    = "200.000 €" /"20.000 €"  = 1000 %


Nun werden die Stückherstellkosten ermittelt.

  • Stückherstellkosten (Basis: Gesamte Einzelkosten)
    = Einzelkosten pro Stück + Einzelkosten pro Stück x Gemeinkostenzuschlag
    = (6+4) +(6+4) x 200 % = 10 + 20 = 30 €
  • Stückherstellkosten (Basis: Fertigungseinzelkosten)
    = Einzelkosten p. Stück + Fertigungseinzelkosten p. Stück x Gemeinkostenzuschlag
    = (6+4) + 6 x 250 % = 10 + 15 = 25 €
  • Stückherstellkosten (Basis: Fertigungseinzelkosten)
    = Einzelkosten pro Stück + Materialeinzelkosten pro Stück x Gemeinkostenzuschlag
    = (6+4) + 4 x 1000 % = 10 + 40 = 50 €

Wie das Beispiel bereits zeigt, variieren die Stückherstellkosten in Abhängigkeit von der gewählten Zuschlagsbasis erheblich und weisen auf ein durchaus praktisches Problem bei der Anwendung der summarischen Zuschlagskalkulation hin, denn zumeist ist die Voraussetzung, dass eine proportionale Beziehung zwischen der Höhe der Einzelkosten und der Gemeinkosten besteht, nicht gegeben. 

Die summarische Zuschlagskalkulation lässt darüber hinaus keine verursachungsgerechte Bewertung von Halb- und Fertigfabrikaten zu.

Im Wege der summarischen Zuschlagskalkulation werden die Gemeinkosten einer Abrechnungsperiode vollständig durch eine einzige Zuschlagsbasis verrechnet.

Da die Gemeinkosten demnach nicht nach Kostenstellen differenziert werden, ist eine Kostenstellenrechnung für die Anwendung des Verfahrens nicht notwendig.

Als Zuschlagsbasis werden entweder bestimmte Arten von Einzelkosten (z. B. Fertigungslöhne oder Materialkosten) oder die Summe aller Einzelkosten eines Kostenträgers verwendet.

Differenzierende Zuschlagskalkulation

Im Gegensatz zur summarischen Zuschlagskalkulation erfolgt die Verrechnung der Gemeinkosten im Rahmen der differenzierenden Zuschlagskalkulation nicht mit einem einzigen, sondern mit mehreren unterschiedlichen Zuschlagssätzen für die verschiedenen Kostenstellen.

Bei einer funktionalen Kostenstellenbildung erfolgt die Aufteilung typischerweise in Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten. Wie hierfür die entspre-chenden Zuschlagssätze ermittelt werden, haben Sie bereits in Kapitel 4.7.2  kennengelernt.

Beispiel: Für die Entwicklung einer ERP-Software sind folgende Einzelkosten entstanden:

  • Lohneinzelkosten 10.000 Euro
  • Materialeinzelkosten 2.000 Euro
  • Sondereinzelkosten der Fertigung 3.000 Euro

Im Unternehmen gelten die folgenden Gemeinkostenzuschlagssätze:

  • Materialgemeinkosten    15 Prozent
  • Fertigungsgemeinkosten    110 Prozent
  • Verwaltungsgemeinkosten    10 Prozent
  • Vertriebsgemeinkosten    5 Prozent

Es sollen die Herstell- und Selbstkosten für die Softwareentwicklung berechnet werden.

(1)        Materialkosten 2.000 €    

(2)      +    15 % Materialgemeinkosten    2.000 € x 15% = 300 €    

(3)      =    Materialkosten 2.000€ +300 € = 2.300 €    

(4)            Fertigungseinzelkosten    10.000 €    

(5)      +    110 % Fertigungsgemeinkosten    10.000 € x 110 % = 11.000 €    

(6)      +    Sondereinzelkosten der Fertigung    3.000 €    

(7)      =    Fertigungskosten    10.000 € + 11.000 € + 3.000 € = 24.000 €    

(8)      =    Herstellkosten (3) + (7)    2.300 € + 24.000 € = 26.300 €    

(9)      +    10 % Verwaltungsgemeinkosten    26.300 € x 10 % = 2.630 €    

(10)    +    5 % Vertriebsgemeinkosten    26.300 € x 5 % = 1.315 €    

(11)    +    Sondereinzelkosten des Vertriebes    -    

(12)    =    Selbstkosten    26.300 € + 2.630 € + 1.315 € = 30.245 €    


In der praktischen Realität nimmt der Anteil der Gemeinkosten stetig zu, während der Anteil der Einzelkosten sukzessive abnimmt.

In der Konsequenz werden also im Rahmen des Zuschlagsverfahrens immer geringere Einzelkosten als Bezugsbasis für die Verrechnung von immer mehr Gemeinkosten verwendet, sodass ein Gemeinkostenzuschlagssatz von 1000 Prozent, wie im Beispiel der summarischen Zuschlagskalkulation, oder auch höhere Zuschlagssätze durchaus realistisch sind.

Dies hat zur Folge, dass kleinste Berechnungsfehler der Einzelkosten durch den hohen Faktor vielfach Auswirkungen auf die Kalkulation haben.

Die Annahme, dass Einzel- und Gemeinkosten sich proportional zueinander verhalten, ist zudem durch den zunehmenden Anteil der Gemeinkosten kritisch zu hinterfragen (Eisele und Knobloch 2011, S. 882). 

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