Grundkurs Wirtschaft

für Wirtschaftsinformatiker

1.6.2 Verteilung und Wirtschaftswachstum.

Autoren: Peter Paic & Julian Schopp

Piketty geht der Frage nach, wie sich Vermögen und Einkommen langfristig entwickeln und was die Ursachen dieser Entwicklung sind. Er analysiert auf Grundlage eines umfassenden Datenmaterials, das sich u.a. aus historischen Steuerdaten bis hin zum World Top Income Database (WTID)  zusammensetzt. 

In seinen empirischen Untersuchungen hat Piketty festgestellt, dass der Vermögensbestand tendenziell schneller wächst als die Einkommen. Hintergrund dieser Entwicklung ist die im historischen Durchschnittlich wesentlich höhere Rendite auf Kapital und Vermögen (r) gegenüber dem Wachstum der Wirtschaftsleistung bzw. der Einkommen (g).

Nach Piketty setzt sich das „Kapital/Vermögen“ aus der „Summe aller Vermögenswerte, die besessen und auf Märkten gehandelt werden können“ zusammen (Piketty 2015, S. 48 f.). Unter dem Begriff „Kapital“ fasst Piketty alle Formen von Immobilieneigentum, Finanzkapital und „professionellem“ Vermögen (Fabriken, Maschinen, Infrastruktur, Patente usw.), das von Unternehmen oder staatlichen Behörden genutzt wird. 

Einkommen/Wirtschaftsleistung wird definiert: „als die Summe der verfügbaren Einkommen der Einwohner eines gegebenen Landes, in einem gegebenen Jahr, unabhängig von der rechtlichen Klassifizierung dieser Einkünfte“ (Piketty 2015, S. 43 ff.).

Das Wachstum der Einkommen bzw. Wirtschaftsleistung (g) ist hierbei abhängig von der Entwicklung der erwerbstätigen Bevölkerung und dem technologischen Fortschritt. 

Die Wachstumsrate der Vermögen (r) ist abhängig vom Risiko der Anlage (im Durchschnitt: Aktien 7 bis 8 Prozent, Immobilien 3 bis 4 Prozent) oder dem Sparziel. Langfristig betrachtet liegen die Wachstumsraten der Vermögen (r) bei 4 bis 5 Prozent und die Wachstumsraten der Wirtschaftsleistung (g) bei 1 bis 2 Prozent. 

Auf dieser langfristigen Sicht begründet sich die Formel r > g, die Kapitalrendite liegt langfristig höher als das Wirtschaftswachstum.

Definition „Kapitalrendite (r) > Wirtschaftswachstum (g)“:

„Piketty definiert r als Kapitalrendite und g als Wirtschaftswachstum, wobei r die Kapitalrendite bezeichnet (das heißt den durchschnittlichen Kapitalertrag eines Jahres in Form von Gewinnen, Dividenden, Zinsen, Mieten und anderen Kapitaleinkommen, in Prozent des eingesetzten Kapitals) und g die Wachstumsrate (das heißt das jährliche Wachstum von Einkommen und Produktion)“.
Quelle: Piketty (2015): S. 43-48 f.
 

Gestützt werden Pikettys Ergebnisse über eine ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen von aktuellen Studien wie dem des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Demnach besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung rund 64 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland, während die ärmsten 50 Prozent auf einen Anteil von 2,5 Prozent kommen (vgl. Abb. 4.).
Ebenso titelt „Die Welt“ mit ihrer Überschrift „Mehr Geld in weniger Händen“ in die gleiche Richtung (Zschäpitz, 2015).


Abbildung 5: Anteil der Bevölkerungsschichten am Vermögen Quelle: DIW Wochenbericht Nr. 7.2015.

Die Abbildung 5 zeigt den Anteil der reichsten 10 Prozent und den Anteil der ärmsten 50 Prozent der Bevölkerung am gesamten Vermögen in Deutschland.

Die Einkommen wachsen also langsamer als die Vermögen. Da die Vermögen darüber hinaus ungleich verteilt sind, geht hier die Schere immer stärker auseinander.
In diesem Rahmen wird auch das meriokratische Prinzip als Erklärung notwendiger Ungleichheit (als Leistungsanreiz, indem die Besten nach oben kommen) neutralisiert. 

Vermögensbildend ist nicht die eigene Leistung in Form des Einkommens. Vermögensbildend ist hier die höhere Kapitalrendite auf die Vermögen sowie - in einem noch stärkeren Maße zunehmend an Bedeutung für das Vermögen - die Erbschaften.

Verstärkt wird der Effekt durch weitere Einflussgrößen wie eine selektive Partnerwahl oder eine wachsende Lohnungleichheit. Ursächlich für die zukünftige Entwicklung von Einkommen und Vermögen ist nach Piketty nicht die persönliche Leistungsfähigkeit für den Wohlstand, sondern vielmehr die familiäre Herkunft (Erben). 

Piketty bezeichnet alle Personen, deren Einkommen im Wesentlichen aus den Renditen besteht – als Feinde der Demokratie. Die Tatsache, dass sich der Reichtum immer mehr über Erbschaften verteilt und nicht über Leistung, stellt Piketty als zentrales Problem dar.

Denn Erbschaften sind nicht marktvermittelnde Eigentumsübertragungen die der Marktwirtschaft schaden. Er fordert, dass alleine der Markt über die Einkommensverteilung entscheidet. Der Markt ist für Piketty die zentrale Gerechtigkeitsinstanz.

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